die brücke zur arbeit
Ich denke niemals an die Zukunft,
sie kommt früh genug.
(Albert Einstein)
* * * beziehungskonflikt
lust, glück und enttäuschung, veränderung und angst,
verzweiflung und bestätigung erleben wir mit ihr. die
besten jahre unseres lebens verbringen wir mit ihr,
die einen großen namen trägt: a r b e i t .
arbeit bietet dem menschen außer einer ökonomischen
grundlage seinen selbstwert, eine möglichkeit der
identifikation und die erfüllung der archaischen
sehnsucht des menschen nach einer gewissen sicherheit
für die zukunft.
dazu gehört die orientierung in einem
sozialen geflecht.
mit in die kommende zeit nimmt ein arbeitender mensch
den konflikt zwischen ihm und der sich rasant
entwickelnden technologie.
Robin, ein Name für Frauen und Männer zugleich sei
hier der beschäftigte genannt, der einfachheit wegen.
wird die maschine in naher zeit wertvoller sein als
der, der sie zu seiner erleichterung und zu seinem
wohlgefallen geschaffen hat?
in dem augenblick, in dem wir die zukunft begreifen
wollen, ist sie schon jüngste vergangenheit.
das jahr 2028 schreiben wir, Robin geht sehr bald mit
seiner persönlichen maschine durch das gewusel der
stadt. das konstrukt sieht aus wie Robin und trägt
seine einkaufstasche . an das menschenwesen gewöhnt
sich das maschinenwesen.
* * * die brücke zur arbeit
* * ähnlichkeit nicht ausgeschlossen
* mitarbeiter in der ferne
‚bis später’, ein mensch verlässt seine wohnung,
geht zur arbeit, nachmittags erwartet ihn seine
familie zurück.
als Robin erkennen wir ihn, auf seinem weg zum
dienst begegnet er im nahverkehrsspeedtrain anderen
beschäftigten, einige unerhalten sich, einige zeigen
erwartungsvolle gesichter, andere lassen Robin in
ihr angesicht schauen, in dem sich zweifel
widerspiegeln, unverstellt und mutig. wenige
minuten nur braucht Robin, um seinen betrieb zu
erreichen.
hier gehört er dazu, vier leute bilden sein eigenes
arbeitsteam, einer von ihnen i s t er. zu siebt
waren sie mal im team vor vier wochen, drei dazu
gehörige angestellte entfernte die betriebsleitung.
lautlos und nahezu unsichtbar für Robin vollzieht
sich seine erkennung als der, der er hier ist, und
die ihm erlaubt, das innere dieses ehrfurcht
verursachenden systems zu betreten und seine
kollegen am gemeinsamen ort des tuns anzutreffen.
gekommen ist der augenblick, Robin darf über seine
sprache verfügen: ‚wie ist es euch ergangen, liebe
kollegen?’
monitore laufen, viel raum beanspruchen sie,
aus dem team fehlt jemand, Rüdiger.
kurz erscheint er auf einem bildschirm, nickt
seinen ex-kollegen zu und schaltet sich ab.
derselbe kollege scheint er noch
zu sein.
doch anders, herausgenommen aus seiner vertrauten
gruppe, ein zweidimensionaler rüdiger.
noch steht Robin seinen zwei Kollegen gegenüber, er
kann ihnen zuhören, er nimmt sie wahr, ihre gefühle,
was und wie sie sprechen, ihre Körpersprache.
reden von mensch zu mensch, gibt dem menschen erst
ein gesicht, etwas zu sagen, das gibt Robin als
Robin zu erkennen und ermöglicht ihm eine verbindung
zu dem, was er erarbeitet.
rüdiger ging ohne abschied, dazu blieb keine zeit
mehr. eingegliedert hat man ihn in ein virtuelles
team, verbunden mit anderen team- mitarbeitern durch
medial vermittelte kommunikation und durch eine
zeitsparende und zielgerichtete und
verdichtete arbeitstruktur.
die moderne zeit geht bis zum äußersten.
den charakter des virtuellen teams bildet
die trennung: die zu ihm gehörenden mitarbeiter
kennen sich nicht persönlich.
sie gehören unterschiedlichen unternehmen an, die
über verschiedene geographische räume hinweg ansässig
sind.
an monitoren trifft sich das team.
mitarbeiter können ausgetaucht werden. sie brauchen
aber einen raum, in dem sie länger fuss fassen
und längere zeit tätig sein können, und sei es auch
der virtuelle raum an einer wand. der einzelne eines
teams hat bedeutung, nur so kann es etwas leisten,
insofern weist sich das team als sozial aus.
welches bild sollen sich die zur gruppe gehörenden
voneinander machen, wenn sie sich nur auf dem
bildschirm sehen und nicht als dreidimensionale
persönlichkeiten mit ihren starken und weichen
seiten.
diese lebensechte erfahrung miteinander ist ihnen
genommen.
ein virtuelles team arbeitet oft über zeitzonen
hinweg. eine arbeitsgruppe in österreich oder in
deutschland meldet sich von hier aus um
15.00 Uhr (MEZ) bei einem kooperierenden
team in sydney/australien, das indessen bereits
das ‚morgen’ erreicht hat und sich sein mittagessen
schmecken lässt.
sydney meldet sich gleichzeitig in österreich
‚gestern’.
problemlos verreisen diese teams, als besäßen sie
macht über die zeit.
auf seinem weg nach hause begegnet Robin seinem
nachbarn theo, der heute wenig reden möchte.
auch theo gehört einem virtuellen team an, er
ist ein betroffener wie viele beschäftigte. wie lange
er noch die miete für seine wohnung bezahlen kann,
weiß er nicht. auf abruf steht theo bereit: nur wenn
ihn ein unternehmen benötigt, darf er arbeiten. ein
festes, berechenbares einkommen steht ihm nicht mehr
zur verfügung, seinen konsum schränkt er ein.
Robin öffnet seine haustür. nachbarn kommen ihm
entgegen. ‚später als wir denken, ist es’, so
grüßt Robin einige hausbewohner. sie hören ihn
nicht, auch nicht mehr die angenehme frauenstimme
auf der überaus großen bildwand auf jeder etage
dieses wohnhauses: ‚ ‚city of greatness’ erwartet
sie.’
* ‚city of greatness’
warmherzig lächelt die bedienung Robin an, vorsichtig
stellt sie ihm sein gewünschtes essen auf seinen
tisch, frisch zubereitet von der hand eines kochs.
‚danke, liza, wie lange sind sie hier schon
angestellt?’
‚ vor einem jahr habe ich angefangen, guten appetit’,
liza geht, sie wird an einem andern tisch gebraucht.
‚ arbeit on demand, sie gehen einen unendlichen
dialog ein mit ihrer freizeit, sie finden zu sich
selbst’, hart durchschneidet die information diese
stunde der muße.
als abbild seiner selbst bewegt sich der große
atlantik auf den neben den tischen plazierten
trennwänden des ‚strand’.
jeder einzelne stuhl trägt auf seiner rückenlehne den
namen dieses restaurants, ‚ strand’, geschrieben in
verschnörkelten buchstaben, so war es schon in alter
zeit an diesem ort.
Robin schaut auf das meer, eine direktübertragung des
wirklichen atlantiks, fische erfreuen sich ihrer
freiheit, einige jagen einander und fressen sich,
einige paaren sich.
ein krake taucht auf, zeigt seine saugnäpfe, seine
tentakel streckt er nach den besuchern des ‚strand’
aus. Robin genießt seine mahlzeit, er weiß, das meer
endet am strand.
wehmütig verlässt er das restaurant und tritt ein
über ein wohldurchdachtes system gläserner
förderkabinen in die ‚city of greatness’.
kaufhaus nannte man es in jüngerer vergangenheit.
fast alles, was der Kunde zum leben braucht, bietet
diese würdige city an. ein districtor in chicer
uniform fragt Robin nach der gesuchten abteilung.
Robins antwort beschließt dieses gespräch.
sogleich steht ein herbei gerufener roboter neben
Robin und geleitet ihn an sein ziel.
Nach eingeübter programmierung
durch Robin übernimmt das konstruktive geschöpf
die auswahl der ware. wenige verkäufer zeigen sich,
können fragen beantworten.
wer hat die angestellten des kaufhauses ihres platzes
verwiesen?
sich zu versorgen, stellt eine der
grunddaseinsfunktionen eines menschen dar.
welche funktion haben die, die keine arbeit mehr
haben?
am ausgang des ehrwürdigen warenhauses steht ein
security-guard, er bewacht die maschinen, sie könnten
ja mal versagen.
* zweit mensch andi
konfliktfrei, immer gesund, unkränkbar, leicht
lenkbar verhalten sie sich: die androiden.
im verborgenen liegen die gefühle dieser abgesandten
der wirklichen menschen.
einige ihrer gattung sind schon im krankenhaus
angestellt, in seniorenheimen, bei behörden und in
privaten haushalten.
gefährliche arbeiten führen sie aus in betrieben, um
senioren kümmern sie sich, gehen mit ihnen spazieren,
pflegen ihren körper.
sie spielen mit ihnen weltweit vernetzt ‚mensch
ärgere dich nicht’ und ‚schach’.
ältere herrschaften sollen sich niemals der
einsamkeit ergeben. andi, so nennen sie ihren
haltbaren partner.
das, was ihm sein konstrukteur gestattet, spricht
andi, nicht mehr, zu selbständig darf ein andi nicht
existieren, sein erbauer will ihn ja kontrollieren.
bei behörden antwortet andi dem bürger auf dessen
fragen zu unverständlichen sachverhalten, jedoch
erklärt er nicht alles, was der bürger zu wissen
begehrt. zu viel darf der stadtbewohner nicht
erfahren, sonst wird er rebellisch.
schon länger auf dem markt befindet sich ein android
der speziellen art. noch können ihn nur gut
bezahlte leute kaufen.
er, der besondere, gesteuerte fast-mensch, simuliert
empathie und verständnis.
als der vornehmste unter seiner androiden-generation
gilt er.
single-haushalte gibt es immer mehr, dort finden
die kostbaren maschinen-andis bereits ihr zuhause.
ob es mit der sexualität funktioniert und wie es
von fall zu fall vor sich gehen mag, darüber
schweigen die extravaganten zweierpartnerchaften
von mensch und nichtmensch.
auch deren nachbarn haben noch keine
außergewöhnlichen hochinteressanten geräusche
vernommen.
* * große leere
* zwischen raum
mensch und maschine gehen eine scheinbar friedliche
abhängigkiet von einander ein.
den menschen bedient die maschine, eine täuschung.
bevor die maschine das kann, muss der mensch sie
dazu fähig machen.
die gebauten konstrukte zeigen auch eigenschaften,
die sich der macht ihrer menschlichen ingenieure
entziehen. ihren dienst verweigern können die
technischen meisterwerke, ausrasten, menschen und
anderen meisterlichen werken schaden
zufügen, dazu sind sie fähig, unberechenbar können
sie sich gebärden.
dieser raum zwischen anspruch und realität bleibt
noch ein ungelöstes risiko.
so zeigt das produkt des menschen auch dessen
unvollkommenheit.
rasch schreitet die entwicklung fort.
sie dient dem menschen, sie schützt ihn, sie fällt
ihm auch in den rücken und wirft viele derer, die
sich ihr leben mit arbeit friedlich aufbauen wollen,
auf die straße, dort, wo eine begegnung von angesicht
zu angesicht notwendig wäre.
der ausgesonderte, der nicht mehr arbeiten darf,
verliert die lust, täglich allein über sein schicksal
zu philosophieren. am stammtisch kann er das nicht,
weil er sein bier nicht mehr zu bezahlen
vermag.
vermögen besitzt er nicht.
* Robin, ein soziales wesen
Robin sorgt sich um theo.
ort der geborgenheit sind für beschäftigte zunehmend
nicht mehr ihre eigenen wohnräume.
unternehmen erlauben beschäftigten oft, nur noch mit
einem home-office am arbeitsleben teilzuhaben.
privatleben und arbeitsalltag sind kaum zu trennen.
mitarbeiter kommen zu den home-office-angstellten
nach hause zu den zeiten, die unternehmen und
tätigkeit erfordern.
medial treten die mitarbeiter ein ins home-office.
wohin der home-beschäftigte gehört, weiß er nicht
genau. er ist ein fremder kollege.
aufgelöst wird auch die feste verbindung zwischen
arbeitsplatz und arbeitsprozess.
theo wird sich vielleicht auch so seine existenz
verdienen müssen.
sein familienleben richtet sich nach dem
wirtschaftsgefüge eines oder mehrerer unternehmen.
persönliche planung mit der familie, auch für die
allernächste zukunft, wird schwierig.
andi leidet nicht, unverletzlich steht er im
geschehen, ohne angst um seinen arbeitplatz.
von armut weiß er nichts, seine versorgung
ist abgesichert.
auch isst er nicht viel.
unternehmen spielen mit der idee, einigen
mitarbeitern ein solches wesen zu schenken.
ein starker android zeigt seinem besitzer die
realität in einem strahlenderen licht,
in einem zweit licht.
andi beginnt seine karriere als statussymbol,
sehr bald.
* * zeit des zorns
dies irae
* tägliche frage
‚ bin ich noch derselbe?’ Robin.
* verweigerung
Robin, hat er versagt?
den kommenden ereignissen wird Robin sich nicht
versagen. mit ihnen bleibt er im dialog.
seinen eigenen unvergleichlichen wert hat er,
ihn besaß er schon gestern.
in isolation von anderen menschen und geschehnissen
begibt er sich nicht, er kann nachdenken, wo er
steht.
Robin verzweifelt nicht.
* der raumRaum
stille umgibt die beschäftigten in dem Raum, den
ihnen manche unternehmen zur verfügung stellen.
dort können sie sich treffen und miteinander
sprechen, hören und zuhören.
bildschirme sind verboten.
wer in den Raum kommt, ist dazu auch bereit in
seinem inneren raum.
hand in hand arbeiten angestellte und unternehmen an
diesem raumRaum. er trägt dazu bei, depressionen
bei mensch und unternehmen vorzubeugen.
draußen bleiben virtuelle teams.
* * haus mit aussicht
* rückkehr
auch wenn kollegen 140 längengrade nach osten oder
westen entfernt von Robin arbeiten, haben sie doch
gleiche nöte und ängste wie er. das traut Robin ihnen
zu. eine kleiner trost für ihn.
Robin kehrt zurück zu seiner persönlichkeit. seine
bedürfnisse achtet er, den ihn umgebenden mitmenschen
möchte er etwas geben und von ihnen auch etwas
bekommen: eine gewisse sicherheit von verständnis und
mitgefühl, dafür ist er begabt.
seine arbeitswelt hat er nicht vergessen.
* berührungen
theo ist schon da. freunden, nachbarn, mitarbeitern
möchte Robin sein haus vertraut machen.
die wenigen angekommenen liebenswerten gäste können
- so sie bereit sind – über das sprechen, was sie
freut und was sie bedrückt.
beziehungen dürfen nicht verloren gehen.
das ist alles.
vielleicht kommt auch einmal Robins chef vorbei,
er selbst oder sein abgesandter.
Robin und seine partnerin wollen vielleicht einen
haus-andi kaufen. so hätten sie mehr zeit
für einander. jedem der beiden kann der
kunstmensch zur seite stehen, jederzeit, er
geht auch mit ins „strand“.
* * * alles fließt
panta rhei
(autor ist nicht klar zuzuordnen)
das wussten schon die antiken griechen.
ihre säulen stehen immer noch.
eine feste größe stellt das fließen der zeit dar,
aufhalten können wir sie nicht.
unverändert begleitet uns menschenkinder die über
alles erhabene nacht mit ihren sternen.
sie, die himmlischen wesen, bewegen sich in wahrheit
mit lichtgeschwindigkeit von einander fort.
nur können wir das mit bloßem auge und im laufe
eines menschenlebens nicht sehen.
und das ist gut so.
von uns wissen die sterne nichts, jedoch haben uns
erkenntnisse über sie erreicht.